Samstag, Januar 22, 2005

Bewölkt und Spaß dabei


Die aktuelle Lage an der Wetterfront: Heute überwiegend bedeckt - wie herrlich. Das heißt, es ist mal ein bißchen kühler - auch wenn der örtliche Wetterbericht mahnt, trotzdem brav die Sonnencreme zu schmieren. Mein akuter Druckluftmangel hat mich bewogen gleich morgens das Internet-Orakel zu befragen und siehe da: ein vielversprechender Rennradshop bloß ein paar Kilometer Richtung Norden. Dadurch hab ich mal wieder ein paar Vororte gesehen und die Segnungen der Satellitennavigation genossen. "Renegade-Cycling" hatte denn auch tatsächlich die kleinen Pannenhelfer vorrätig - von wegen alles vom Weihnachtsmann verschleppt. Dazu ein ganzer Laden voller toller Fahrrad-Sachen, was sich so heimisch angefühlt hat, dass ich schon leichte Anflüge von Konsumrausch gespürt habe. Wie die Made im Speck oder das Mädchen im Schuhgeschäft. Zu Schade, dass die wichtigen Sachen schon dabei hab und für alles andere kein Platz im Gepäck ist. Doppelt schade, dass die heimliche Spekulation nicht aufgeht, dass dank muskulösem Euro-Kurs die Spielsachen hier spottbillig sein könnten: Preise wie in Deutschland und ein bißchen höher. Trotzdem ein schöner Ausflug, der sogar das schier unmögliche zu bieten hatte: ein Stück halbwegs ebene Straße, auf der ich beruhigt feststellen konnte, dass ich doch noch ein bißchen Fahrrad fahren kann. Die Kraxeleien der letzten Tage haben schon ein bißchen am Selbstvertrauen genagt. Inzwischen macht aber sogar das beinahe Spaß. Vor allem lernt man die Abfahrten zu schätzen. Heute ging's eine Hauptstraße runter - prima Asphalt, weit einsehbare Kurven, breiter Fahrradstreifen - bei 71km/h hab ich dann trotzdem mal ein bißchen gebremst.
Außerdem hatte ich die Gelegenheit mal wieder die Kamera ins geröstete Gesicht zu halten. Nachdem die Nicht-Heloisa neulich ja schon zu berichten wußte, dass ich "derzeit leicht merkwürdig" aussehe, hier der Beweis, warum es mit Recht nicht zur "Sünde" kommen konnte...



Ist ja erschreckend, wie das aussieht, wenn man das Spiegeldings von der Brille entfernt. Gut, dass mich hier keiner kennt und den "Sydneysidern" (so offenbar der korrekte Ausdruck für Sydneyer, Sydneyoten, Sydneyiten und so weiter) der Anblick in Kürze erspart bleibt.

Aber die Australier denken wenigstens an uns ältere Herrschaften - hier kriegen wir unseren eigenen Fußgängerüberweg.



Da wird man doch mit Freude alt, denn am entspanntesten läßt sich das hier so angehen:



Ach ja, und dann hätte ich noch einen Nachtrag zum Thema links fahren.



Das geht mittlerweile wie geschmiert, sogar wenn grad kein Auto als Anhaltspunkt zu sehen ist, bleib ich brav auf der hier richtigen falschen Seite. Eine Herausforderung bleibt noch der gemeine Kreisverkehr. Beim ersten Versuch neulich war ich noch leicht abgelenkt und bin zwar auf der richtigen Seite gefahren, nur leider in der falschen Richtung. Gleich zwei einheimischen Autofahrern hab ich dabei einen spannenden Moment verschafft. Da können diese Australier mal sehen, wie schwierig das ist, wenn sie mal in der richtigen Zivilisation Auto fahren müssen, wo Radfahrer gegen den Uhrzeigersinn kreiseln!
Übrigens zeichnet sich der australische Autofahrer ohnehin durch einen eklatanten Mangel an Selbstbewußtsein aus. Wo der deutsche KfZ-Dirigent längst die Sinfonie für Hupe und aggressives Gebrüll anstimmt - oder gleich versucht durch entschlossenes Schneiden und Abdrängen für fahrradfreie Straßen zu sorgen - hält der Australier wehleidig Abstand, verzichtet auf den Nervenkitzel rasanter Überholmanöver im Zentimeterabstand und nimmt gar mehrere Sekunden Fahrzeitverzögerung in Kauf, nur um das Leben des verschwitzten Fahrradtouristen zu schonen - alles Weicheier.
Das einzig echte Risiko stellt die einheimische Tierwelt dar. Nein, nicht die giftigsten Schlangen der Welt, die bekanntlich in Australien leben, nicht boxende Känguruhs oder heimtückische Koalabären - die örtliche Vogelwelt ist gewöhnungsbedürftig. Die Kameraden produzieren Geräusche von kreischendem Kind bis "irgendwas rattert in meinen Hinterradspeichen". Da schreckt man manchesmal hoch oder ist so abgelenkt, dass man beim Abbiegen doch wieder eine Rechts/Links-Schwäche entwickelt...

Morgen zeigt der Kompass Richtung Westen. Sozusagen als "Prolog" ist der Plan, einen Ausflug in die Blue Mountains anzugehen. Derzeit spricht der Wetterbericht aber noch von Schauern und Gewittern. Mal gucken, wie's morgen aussieht.

Freitag, Januar 21, 2005

Bröööhöööö - Wildnis am Ruhetag

Heute ist erstmal Ruhetag. Scheint mir eine ganz gute Idee, nachdem ich es mir gestern wohl doch mehr besorgt habe, als zunächst angenommen. Kaum dass ich mit dem Blog fertig war, hatte ich eine Schlafattacke der heftigen Sorte. Ich hab's grad noch ins Bett geschafft und bin dann ohnmachtsartig eingeschlafen. Die Kombination aus Jetlag, Temperaturschock und ungewohnter Sonneneinstrahlung - da sollte man die Belastung wohl etwas langsamer steigern. Also erstmal Finger weg vom Rad und einen ruhigen Stadtbummel eingelegt.
Dabei habe ich gelernt, dass offenbar auch der Australier selbst gern die Birne aus der Sonne hält, denn die Bahn-Station "Town Hall" hält mitten in einem der größten Indoor-Einkaufszentren, die ich je gesehen habe. Von aussen (wenn man es erstmal geschafft hat wieder raus zu kommen) sieht das wie eine ganz normale Einkaufspassage aus, innen aber erstreckt sich das ganze über mehrere Häuserblocks und Etagen, so dass man als Mann fragt: "Gibt es wirklich so viele verschiedene Dinge, die man brauchen könnte, um so viele verschiedene Läden damit voll zu stellen?", während die Frau fragt: "reichst Du mir mal schnell die Kreditkarte, Schatz?".
Gut, ein bißchen was hätte ich auch gern gekauft. In einem entzückenden Fahrradladen wollte ich planmäßig Druckluftpatronen kaufen, mit denen man nach ner Panne einen Reifen in Sekundenschnelle wieder befüllen kann. Tolle Erfindung, die man leider nicht im Flieger transportieren darf. Schlauerweise hab ich nicht nur meine Patronen zuhause gelassen, sondern auch den Adapter zum Anschluß ans Fahrradventil, da ich dachte, in diesem exotischen Australien passen die Patronen eh nicht zu meinem deutschen Adapter. Man ahnt es schon: Druckluftpatronen gibt es hier zu hauf, originalverpackt aus Deutschland importiert. Nur die passenden Adapter sind ausverkauft. Die waren dieses Jahr der absolute Renner im Weihnachtsgeschäft und der Importeur hat keine Ahnung, wann es wieder welche (aus Deutschland) gibt. Spitze - meiner hätte gepasst. Wenn ich demnächst also eine Panne habe und mit meiner Minipumpe im Bleistift-Format rumhampele, werde ich wehmütig an all die australischen Weihnachtsbäume denken, unter denen meine Ausrüstung gelandet ist...

Zum Abschluß hab ich mich dann nochmal kulturell umgetan: Im "Outback-Center" in Darling Harbour ein bißchen Aborigine-Kunst einschnupfen. Ansonsten gibt's in Sydney schließlich keine Spur von Ureinwohnern zu sehen. Neben der Kunst (ja, hübsch, hmm, macht sich vor allem als T-Shirt-Aufdruck gut...) hab ich mir vor allem mal das örtliche Didgeridoo-Angebot angeschaut. Wer's nicht kennt: Das traditionelle Musikinstrument der Eingeborenen. Ein langer hohler Knüppel, in den man oben reinbläst, damit unten sowas wie "Brööööööhöööööhööööö" rauskommt. Diesen "Sound of the Outback" beschallt das "Outback-Center" auch per Aussenlautsprecher, so dass ich beim Näherkommen noch dachte: "Oh Jungs, Eure Boxen sind aber mächtig im Arsch..."
Na ja, vermutlich muß man total eins mit Mutter Erde sein und Vegetarier, um die urtümliche Kraft dieser Musik nachfühlen zu können... bei mir hat's nur dazu gereicht, das Hintergrundgebrumm eine Weile ganz ulkig zu finden und ich habe darauf verzichtet, die 90-Minuten-CD für die Bürobeschallung zu erwerben...
Das Highlight war allerdings die Verkaufsvorführung des Didgeridoo-Fachverkäufers, der einem älteren Pärchen die Unterschiede der verschiedenen Modelle erläutert hat. Zuerst die etwas günstigere "Economy"-Version für 220 Dollar: "Bröööööhöööööhööööö", dann im Gegensatz dazu die de-Luxe-Ausgabe für 450: "Bröööööhööööööhöööö", und dann noch ein besonders ausgefallenes Stück: "Brööööööhööööhööööö"...

Natürlich hätte ich pflichtgemäß gerne ein Foto vom Didgeridoo mitgeliefert, aber der weise alte Eingeborene sagt: "Wer die Schönheit von Mutter Erde und die Wunder ihrer Bewohner festhalten will, muß die Speicherkarte in die Kamera stecken und nicht im Laptop vergessen..." - Also gibt's stattdessen einen Ureinwohner aus dem Bildfundus von gestern: Känguruh gefällig?



Ach ja, und dann wollte ich mich noch für die vielen Kommentare bedanken. Da macht das hier ja gleich doppelt Spaß. Also selber Schuld, wenn mancher Eintrag hier länger wird, als unbedingt nötig ;-)

Donnerstag, Januar 20, 2005


So weit bin ich gar nicht weg - grad mal bei Hamburg Süd :-) Bei näherer Betrachtung handelt es sich aber leider nicht um eine Beratungsstelle für auswanderungswillige Hanseaten, sondern bloß um die Australische Filiale einer Hamburger Reederei.

Glatze Rot



Na prima - ein Tag in Australien und was hab ich gemacht? Ich hab mir die Fratze verbrannt. Und schlimmer noch. Gerade die Stellen wie Nacken und Ohren, die vorgestern noch durch die Haarpracht des Samson geschützt waren, sind jetzt rosig wie Tiffis Achselhöhle. Wer hätte auch ahnen können, dass morgens eincremen und dann sechs Stunden schwitzen unter südlicher Ozonlochsonne nicht recht funktioniert. Na ja, jetzt bin ich mit "Faktor 30-Sweat-resistant-Super-Sunscreen" ausgerüstet und hab auch das mitleidige Schmunzeln eder Apothekerin überstanden.
Wie tröstlich, dass ich mich gestern abend noch heimlich über den Kameraden lustig gemacht hab, der barfuß in den Hotelgarten kam und an seinen gestreiften Füßen trotzdem als Birkenstock-Jünger zu erkennen war. Beim Abendessen muß ich unbedingt meine Uhr umtun. Und die Fahrradhandschuhe anziehen...

Dabei war's eigentlich eine ganz nette Runde heute. Erstmal über die Harbour-Bridge in die Innenstadt und rein ins Getümmel. Das heißt, langsam rein ins Getümmel, denn jenseits der Brücke bin ich erstmal brav vom Rad gestiegen und hab geschoben. Vierspuriger Großstadt-Links-verkehr und zehn Prozent Steigung oder Gefälle, da mußte ich kurzfristig passen. Bin dann raus Richtung Küste durch den Centennial Park zum berühmten Bondi Beach.

Wie der Fahrrad-Kollege Marko schon prophezeit hat, herrscht am ganzen Strand striktes Alkoholverbot. Und das ist noch nicht alles.




Fragt sich, von welchen "Enjoyment" da noch die Rede ist - und ob der Hausmeister und Herbergsvater vielleicht deutsche Wurzeln hat. Vielleicht tu ich den Leuten ja unrecht - immerhin war's ein stinknormaler Donnerstag nachmittag - aber der berühmteste Strand Australiens ist irgendwie genauso thrilling wie der Seniorenbadetag in Bad Reichenhall. Abgesehen von einer Handvoll Althippies, die in abgewrackten VW-Bussen von der guten alten Zeit träumen, ist diesseits von Puderzuckerstrand und Türkisblauwasser ganz schön tote Hose. Die zwei Buden mit eisgekühltem Orangensaft reissen es irgendwie nicht raus. Na ja, sicherheitshalber hab ich mich trotzdem mal fotografiert. Was die Schwäche von verspiegelten Brillengläsern offenbart: Man sieht den Arm, der mangels Helfer die Kamera halten mußte.




Weiter die Küste lang geht's wieder nur auf und ab - immer hundert Höhnemeter rauf und wieder runter. Mit dem Ergebnis, dass auf dem Weg zurück in die Stadt der Sprit alle war. Die Ernährungslücke hat dann ein Chinese mit einer lieblos zerhäckselten Ente geschlossen. Schade nur, dass im Gegensatz zu seinem europäischen Vetter der australische Chinese (umgangssprachlich Beutelchinese) die Ente vor der Zubereitung
nicht entwaffnet. So hat sich der Vogel bis zuletzt mit Knochengekröse vor der Verspeisung zu wehren versucht.




Ach ja, und weil bislang noch nicht einmal von Bier die Rede war: Der Durst war groß und die Freude noch größer, als auf dem Heimweg aus einer Seitenstraße der Löwenbräu-Keller vor meine Flinte sprang. Ein halber Liter original bayerisches Bier mit Schlageruntermalung knapp oberhalb von Ballermann-Niveau - das Leben kann so schön sein.

Mittwoch, Januar 19, 2005

Labor farewells Lotham

...berichtet heute morgen die Zeitung "The Australian". Da kann man mal sehen, wie weit man wirklich von zuhause weg ist. Mein Englisch reicht locker, um den Artikel Satz für Satz zu verstehen, aber worum es wirklich geht ist mir ein Rätsel - Innenpolitik halt, der man nicht folgen kann, wenn man die zwei Jahre Vorlauf verpasst hat und keine Ahnung von den Verflechtungen der handelnden Parteien hat. Wie tröstlich, wenn man dann die Zeitung umdreht und auf der letzten Seite "Cinema & Arts" von guten alten Bekannten list: Clint Eastwood. Wenn wir Hollywood und McDonalds nicht hätten, käme man sich ja überall fremd vor :-)
Und sonst? Prima geschlafen - glatt bis sieben Uhr und dann noch besser gefrühstückt. Selbstredend hab ich mir gleich mal eins der berühmten "Vegemite Sandwiches" gemacht. Wobei das typisch australische Vegemite hier von der Firma Kraft stammt. Außerdem schmeckt's wie zerdrückter Brühwürfel auf Toast. Die Landeskunde beim Frühstück ist damit jedenfalls beendet.
Gleich mach ich mich mal auf in die Stadt und zum Bondi Beach. Außerdem muß ich mich um meine Bierversorgung kümmern. Gestern abend gab's zwei Dosen Kilkenny - teuer und schmeckt aus der Dose gruselig. Das muß besser werden - auch wenn sich anonyme Stimmen hier um "Beer in the Blog" sorgen. Ich sorg mich ja auch - vor allem, wenn keins mehr da ist. :-)

a.

Ein Panorama-Schnellschuß. Zu irgendwas muß diese Canon-Software ja gut sein, auch wenn die Anschlüsse nicht 100% passen.

Ich kann's ja nochmal versuchen, denn dieser Aussichtspunkt liegt gerade mal 500 Meter von meinem Hotel - auf dem Weg zum Bier holen ;-))

Gerade mal halb sieben und ich bin tot wie Hund - der Jetlag. Heute Nachmittag hab ich die ersten 20km Probefahrt in Nord-Sydney absolviert. Mit Grundlagentraining hat das hier allerdings nix zu tun. Es geht eigentlich nur senkrecht rauf und wieder runter - wie Achterbahn fahren. 20% Steigung ist hier eher der Normalfall als die Ausnahme.

Das mit dem Linksverkehr klappt dafür schon ganz gut - solange ich mich konzentriere. Nur wenn in einer Kurve Gegenverkehr auftaucht fühlt es sich ungemütlich an. Dafür benehmen sich die Autofahrer überaus zivil.

Jetzt gibt's gleich einen Happen zu essen und dann geht's zügig ins Bett. Morgen mehr.

Und hier das Foto-Dokument. Ja, in letzter Minute hab ich mich vor der Abreise noch von meinem Zopf getrennt. Alles überflüssiges Gewicht :-) Außerdem spar ich mir so die Bürste im Gepäck und kann mich sechs Wochen selbst dran gewöhnen, bevor alle anderen lachen...

Welcome to the Land Down Under

19.01. 10 Uhr 35 Sydney - Glenferrie Lodge

So, besser kann's eigentlich nicht werden. Ich sitze im Garten eines zauberhaften kleinen Hotels, furchtbar nette Menschen, reibungslos eingecheckt und das beste: Im ganzen Hotel WLAN-Internetzugang. 50 Dollar die Woche, dafür entspanntes Bloggen und surfen im Palmengarten statt rumgesuche nach einem schmuddeligen Internet-Cafe. Also kann's auch schon die ersten Bilder geben.

Aber nochmal zurück zum Flughafen - achteinhalb Stunden Flug von Hong Kong aus. Davon allein viereinhalb Stunden quer über Australien von Darwin nach Sydney - ganz schön groß dieses komische Land. Soviel Platz für Känguruhs und Koalabären :-) Im Flieger gibt's Einreisekarten und die dringende Warnung: Keine Lebensmittel einführen. Natürlich hab ich Spezialist die letzten PowerbarReserven in der Tasche. Also brav das Formular angekreuzt und auf zum Zoll. Sieht aus wie bei der Einreise in die USA: Lange Reihen mit Schaltern, lange Schlangen, nur gucken die Zoll-Jungs und Mädels nicht, als ob man auf dem besten Weg nach Guantanamo wäre, sondern sind ausgesprochen freundlich. Danach ich gleich mal in die Quarantäne-Schlange. War eh darauf eingestellt, das ich mein Rad auspacken muß - auch jeder Krümel Erde ist verboten. In der Schlange kommt dann ein Zollmensch auf mich zu: "Gib mal Deine Karte...hmm...was hast Du denn zu essen mit" und das tatsächlich auf Deutsch. Ich zeige ihm meine Powerbars, er: "und, keine Gummibärchen? - Na dann, have a nice day". Quarantänekontrolle beendet. Freundliches Land.
So saß ich denn um halb acht morgens vordem Airport und weil ich weder müde noch in Eile war, hab ich gleich an Ort und Stelle das Rad ausgepackt und zusammengebastelt. Und dabei festgestellt, dass eine Schraube, die lose ist, auch gern ganz abfällt. Ausgerechnet die Befestigung vom Gepäckträger ist auf diese Weise abgefallen und offenbar aus dem etwas ramponierten Radkarton verlustig gegangen. Toll, genau das eine Teil, für das ich keinen Ersatz hab und das es hier schwerlich zu kaufen gibt. Allerdings halb so wild mit einer Ersatzschelle und zwei Ersatz-Schrauben hält das Ding genau so gut. Macht zumindest soweit einen ordentlichen Eindruck.

Auf dem Weg in die Stadt hab ich dann in der Bahn noch ein deutsches Pärchen mit Rädern getroffen, die es richtig ernst meinen: Die sind jetzt unterwegs ins Outback, um da mit Zelt und voller Ausrüstung Richtung Nordküste zu radeln - da bleib ich doch lieber bei meinen Hotel-Planungen.

Ach ja: Radfahrtechnisch bin ich mal gespannt, was die Form sagt. Dieses "Kirribilli" in dem ich wohne ist zwar ein absolut zauberhafter Stadtteil in Sichtweite von Harbour Bridge und Oper, erinnert aber vom Straßenverlauf schwer an San Francisco - mächtig steil rauf und runter... aber das gucken wir uns morgen mal in Ruhe an.

Anflug auf Sydney

Unterwegs

17.01. 16:10 Flughafen Hamburg

Jetzt geht's los. Das Rad ist eingeckeckt, das Gepäck aufgegeben. Boardkarten bis Sydney in der Tasche - endlich der Moment, in dem eigentlich erstmal nichts mehr schiefgehen kann. Bis Sydney - in gut 24 Stunden gibt's nichts zu tun, als Warten, Lesen und in regelmäßigen Abständen aus Plastikschalen zu essen.

Natürlich war ich wie immer viel zu früh am Flughafen. Satte zwei Stunden rumsitzen und abwarten, bis der Schalter aufmacht. Ich werde wohl nie mehr zu den supercoolen gehören, die genau pünktlich auf den letzten Drücker kommen, nicht warten müssen und womöglich noch das Upgrade in die erste Klasse kriegen... das ist lässig - vermutlich aber auch bloß iene moderne Flughafen-Legende.

Jetzt erstmal in Ruhe warten, was kommt. Das Abschiedsbier schmeckt und ich hab endlich die richtige Mischung aus Entspannung und Kribbeln im Bauch - so muß das sein beim Aufbrucch.


17.01. 20:25 Flughafen London Heathrow

Jetzt weiß ich, was ich vergessen hab: Essen. Rechtzeitig etwas zu essen, draussen in der Welt, wo man noch eine Mahlzeit kaufen kann, ohne einen Kleinkredit aufnehmen zu müssen. Zu spät. Nach einem halbherzigen Milchbrötchen mit einer halben Portion "irgendwas" drauf im Flieger hat mich hier der Hunger heimtückisch erwischt. Die Waffe der Wahl war "Sandwich Pollo Verde". Ein entfernter Verwandter von einem Baguette mit Huhn drauf. Trocken wie die Wüste Gobi und in seiner Tristesse nur vorsichtig umspielt von einem Hauch Geschmack aus einer grünlichen Paste, die sporadisch im Brot verteilt war - gut, irgendwoher muß der Name "verde" ja auch kommen. Und das ganze zu Preisen aus dem zwielichtigen Unterhaltungsmilieu: ganz lange umgerechnete 16 De-Mark. Hatschipuh. "Zu meiner Zeit kriegte man dafür auch noch eine Krankenschwester zum Füttern", pflegt der Opa bei solchen Preisen zu sagen.
Da lob ich mir gegenüber O'Neills Pub. Da gibt's das Pint Bier für geradezu schlanke 2,80 Pfund, oder 5 Euro 60 oder elf De-Mark... gut, hat man früher in Bottrop Süd auch nur im Puff bezahlt, dafür schmeckt's und wird trotz des drumherum erbauten Flughafens an einer anständigen Pub-Theke serviert. Bloß rauchen darf man an der Theke nicht. Zu ärgerlich, sonst würd ich mir glatt noch ne Runde spendieren. Aber ohne rauchen ist doof und so werde ich gesünder und Mr. O'Neill wird an einem Pub nicht noch reicher.

Dieser Flughafen Heathrow ist im übrigen ein Hort der Verläßlichkeit und Erinnerung. Als ich vor Jahren auf dem Weg nach Kanada hier mal umgestiegen bin, hab ich von Terminal zu Terminal schon eine Himmelfahrt mit dem Bus absolviert. Wie tröstlich, dass die heutige Tour vollkommen identisch war. Aus dem Flieger erstmal durch alle Gänge und über alle Treppen, die das Gebäude zu bieten hat - die Hinweisschilder hat sicherlich jemand aufgestellt, der an den Überwachungskameras jeden Abend Tränen lacht, wenn die Passagierlemminge durch die Gänge torkeln. Dann geht's eine eindrucksvolle Rolltreppe runter und durch eine deutlich weniger eindrucksvolle Tür plötzlich raus auf die Straße.
Da wartet ein Bus, der an sich nichts gutes und nichts schlechtes verheißt, aber wenn der Fahrer derart hartnäckig vor sich hinflötet, wird man schon mißtrauisch und achtet genau drauf, ob er nicht irgendwann mal "Spiel mir das Lied vom Tod" pfeift. Zur Aussicht würde es jedenfalls passen: Eine Rundfahrt durch Europas größte Ausstellung für Baustellenfahrzeuge und ein paar Einblicke in die ekeligen Hinterhöfe eines Flughafens. Bei mancher Halle möchte man gar nicht wissen, was darin passiert, hofft nur, dass es sich einfach nur um längst vergessene Ecken des Geländes handelt, in denen die Untoten auf den jüngsten Tag warten. Vermutlich gibt es an jedem Flughafen solche weniger schönen Ecken. Nur während an jedem anderen Flughafen die Passagiere entweder per Monorail und U-Bahn-Wunderwerken drumherumkutschiert werden, oder der Abfall einfach zum pittoresken Charme des Landes gehört, wird man in Heathrow auch 15 Jahre nach meiner damaligen Tour immernoch mit dem Bus über die Baustelle gefahren. Nun will ich nicht ungerecht sein: Vermutlich ist es längst eine neue Baustelle - man soll den Leuten ja nicht unterstellen, sie wären faul. Aber was um alles in der Welt haben die in den letzten 15 Jahren gebaut, mit dem sie augenscheinlich immer noch nicht fertig sind....?
Aus solchen Überlegungen wird man gerissen, wenn eine freundliche Tonbandstimme im Bus kundtut, man erreiche jetzt Terminal 3. Daraufhin kurvt der Bus in eine finstere enge Gasse zwischen zwei Ziegelmauern und kommt zum Stillstand. Eifrige Fernsehzuschauer wissen, dass in solchen Gassen mit Abstand der größte Teil der Mafia-Morde passiert. Man steigt harmlos aus einem Bus aus, denkt, alles sei in bester Ordnung und in Wirklichkeit steht Robert De Niro im Nadelstreifenanzug draussen und erzählt einem, wie enttäuscht die Familie ist.
In London können sie sich nicht mal ein De Niro-Double leisten. Stattdessen lockt man die Passagiere durch eine unscheinbare Tür über der wie selbstgemalt "Terminal 3" steht, wieder durch finstere Gänge und Treppenhäuser, wieder durch eine Eisentür - und plötzlich steht man wieder in der gewohnten Flughafen-Welt aus Harrods-Imitations-Duty-Free-Läden und Sandwich-Buden, die halbe Brötchen zum Preis von Lokomotiven verkaufen. Ist schon lustig am Flughafen.
Mal sehen - drei Pfund hab ich noch. Für ein Pint würd's noch reichen. Der alte O'Neill soll ja auch nicht leben wie ein Hund.

18.01. Flughafen Hongkong.

Es ist 11 Uhr 30... nach meiner Uhr, die man nur mit Hilfe kunstvollen Kugelschreibergestochers umstellen kann, weswegen ich dieses Unternehmen erst für die endgültige Sydney-Zeit angehen werde. In "Wirklichkeit" ist es hald sieben - glaube ich. Wie soll man das so genau wissen, wenn man erst eine Stunde in die eine, dann eine Handvoll Stunden in die andere Richtung Zeitverschiebung hat. Jedenfalls ist es später als meine Uhr glaubt, ich bin also älter als ich wäre, wär ich zuhause geblieben - das ist hier alles nicht gut für meinen Teint.
Heute nacht, also eigentlich heute nachmittag...oder war's dann gestern nachmittag? Egal, jedenfalls im Flieger hab ich - während mein rechtes Bein einen qualvollen Krampftod unter dem Vordersitz erlitt - versucht abzuschätzen, wie ich am schlauesten schlafe, um dem Jetlag zu entkommen. Also eigentlich schon nach Sydney-Zeit schlafen, dann müßte dort die Umstellung.... darüber bin ich dann eingenickt. Ein wundervoller, erholungsfreier ein-Stunden-rhythmus-schlaf. Da hatte die Chinesin im Sitz neben mir offenbar mehr Routine. Kaum hingesetzt hat die sich in eine Decke gewickelt, im Sitz festgeschnallt und durchgeschlafen. Dafür hatte die aber auch 40 Zentimeter weniger Bein unterzubringen.
Im Anflug auf Hong Kong eine erfreuliche Nachricht: Ankunft am Gate 3, Weiterflug nach Sydney von Gate 3. Das hat mich zu der gewagten Annahme verführt, es könne nicht viel Fußweg vom Aussteigen zum Einsteigen sein. Am Ausgang stand denn auch gleich ein Chinese als Auskunft für Menschen mit Anschlußflügen. Freundlich zeigt der Mann in die gleiche Richtung wie das Schild hinter ihm - die einzige Richtung, in die es überhaupt geht. Es folgen einige hundert Meter Fußweg und man denkt schon: "kleingläubiger Europäer, was verleitet Dich zu der Annahme, es gebe nur ein Gate 3. Vielleicht lehrt der Buddha ja, die ganze Wlet sei ein Gate 3"... Wieder falsch. Nach ein paar hundert Metern Fußmarsch geht es scharf links herum, durch die siebzehnte elektronische Handgepäckkontrolle (für einen Moment glaubten die Kollegen, endlich die ersehnte Nagelschere in meinem Rucksack entdeckt zu haben) und denselben Weg wieder zurück, nur eine Etage höher. Die Verkehrsführung haben sie aus Heathrow importiert...
Und noch eine Enttäuschung: Am Check-In stehen drei Mönche vor mir in der Schlange. Menschen, die von Buddha, der Erleuchtung oder sonst irgendwelchen Heiligen den Weg gewiesen bekommen, und nicht wie die hier von einem Mini-Kompass in ihrem Teleskop-Wanderstab. Nordic Walking auf dem Weg der Erkenntnis...

Sonntag, Januar 16, 2005


Hier mal ein Blick auf die geplante Route von Sydney nach Melbourne. Bislang ist kurz vor Melbourne Schluß. Wie's da weitergeht, entscheide ich dann unterwegs nach Lust, Laune und Wind - und dem Zustand des Hinterns :-)) Die Gesamtdistanz sind etwa 1100km in geplanten zehn Etappen. Aber schauen wir erstmal, dass Rad und ich gesund in Sydney ankommen. Alles ist gepackt, jetzt wird der Radkarton noch ordentlich in Packband eingewickelt und dann abwarten....

a.

Die letzte Vorbereitungsrunde. Eigentlich sollte das Rad längst verpackt sein, aber so ein schöner Sonntag und so viele willige Mitfahrer, da konnt ich nicht nein sagen. Am Ende war's die erste 100K-Runde des Jahres. Entspanntes Tempo und hinterher keine platten Beine - zumindest das ist doch mal ein gutes Omen für Down Under :-)