Montag, Februar 07, 2005

Mein lieber Herr Gesangverein!

Da haben sich die Wettermacher von Australien aber was ausgedacht für den bekloppten Deutschen auf dem Pushbike. Nach dem vorwitzigen Friesland-Vergleich von gestern waren die wohl etwas angefressen und haben über Nacht mal geguckt, ob sie nicht noch ne Tüte Wind für mich haben - und haben einen ganzen Sack gefunden.
Erst haben sie mich morgens unter Vorspiegelung windstiller Tatsachen aus dem Hotel gelockt, und kaum hatte ich die ersten acht Kilometer entlang der traumhaften Küstenstraße absolviert,

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haben sie der alten Omma Pandora ihre Büchse aufgemacht und mir auf's Haupt geblasen, wie schon lange nicht mehr. Ein vollkommen lächerliches Wetter: Blauer Himmel, Sonnenschein und 30 Grad, dabei aber lockere sieben Windstärken immer schön aus Norden.
Die ersten 30 Kilometer gingen noch, weil immer genau gegenan, was zwar lästig und langsam ist, aber noch fahrbar. Danach aber gab es das ganze als Seitenwind. Auf einem eineinhalb Meter Randstreifen mehr Zirkusnummer als Rad fahren. Man muß sich regelrecht gegen den Wind anlehnen, um überhaupt ein bißchen geradeaus zu fahren. Dann überholt ein LKW und für zwei Sekunden gibt's gar keinen Wind mehr, man taumelt also Richtung LKW. Dann ist der Truck vorbei und es gibt zwei Sekunden Rückenwind durch den Sog, dann wieder volles Rohr Seitenwind - ein einziges Geeiere über die ganze Breite des Randstreifens.
Ich hab's dann für klüger gehalten, erstmal am Strand eine Stunde Pause zu machen, in der vergeblichen Hoffnung, dass der Wind ein bißchen nachlässt.

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Nach insgesamt 70 Kilometern und fünfeinhalb Stunden bin ich endlich in Cowes auf Phillip Island eingetrudelt und habe das Örtchen gleich ins Herz geschlossen: hier gibt's eine Kneipe, in der man draussen Bier trinken kann, was in Australien eine echte Rarität ist.
Dann gab's eine Novität in Sachen Hotel-Roulette. Das erste Los hab ich diesmal zurückgegeben. Mein Reiseführer empfiehlt das Hotel "Isle of Whight" mit Blick auf's Meer. Das klang mir zu teuer und deshalb fiel meine erste Wahl auf das "Coachman's Motel" eine Strasse weiter. Deren Auffassung, ich könne auch mal 140 Dollar pro Nacht zahlen, konnte ich aber auf Anhieb nicht teilen, so dass ich doch mal die "Isle of Whight" besichtigt hab. Hier zahl ich nun 130 Dollar für zwei Nächte, und hab gratis gleich ein echtes Schauspiel erlebt: Die Rezeption ist ein fensterloses Gewölbe zwischen Kneipe und Schnapsladen, belüftet durch ein infernalisch lärmendes Gebläse, dessen Rohre lose durch den Raum verlegt sind. Die Empfangsdame hat dieses Verlies offenbar noch nie verlassen und ist entsprechend eine Gestalt, die den Vorspann jedes Horrorfilms bereichern könnte. Die Zimmer liegen in einem Pappmaché-Gebäude gegenüber (wenn man den Kopf weit genug dreht, kann man sogar das Meer sehen) und glänzen mit einer technologischen Ausstattung, die in den späten zwanziger Jahren reinste Science Fiction gewesen wäre.

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Ob man mit diesen Geräten irgendetwas empfangen kann probier ich nachher aus, wenn ich mir ausreichend Mut angetrunken hab (Update am Abend: Tatsächlich funktionieren beide Geräte. Beim Unteren fehlt der Einschalt-Knopf, deshalb läßt es sich nur durch den Schalter an der Steckdose aktivieren. Außerdem ist die Bildqualität interessant - man glaubt beim Umschalten jedesmal, dass da noch die letzten Minuten der Übertragung der Mondlandung laufen... - ich bleibe also lieber bei den zwei Programmen, die die obere Maschine zustande bekommt).
Morgen schau ich mich dann ein bißchen auf der Insel um. Werde mal versuchen, eine Runde auf dem Rad ohne Gepäck zu drehen. Der letzte Versuch dieser Art in Lakes Entrance wäre fast schief gegangen - ist schon ungewohnt, wenn das Rad plötzlich weniger als die Hälfte wiegt. Andererseits - wenn es weiterhin so in Richtung Süden weht, ist ja vielleicht morgen auch die Luft alle und ich muß sehen, wie ich den Tag ohne Atmen rumkriege... So wie es heute geblasen hat, dürfte Melbourne schon luftleer sein. Die Ärmsten - erst überschwemmt und jetzt erstickt...