Freitag, Februar 11, 2005

Brust oder Keule?

Im Restaurant essen zu gehen ist eigentlich eine ganz einfache Angelegenheit. Im wesentlichen das alte "ich fresse, Du streichelst"-Spiel der Kaenguruhs, nur dass die Kellnerin nach dem Essen leider Gottes nicht mich, sondern meine kleine bunte Plastik-Master-Karte streichelt. Allerdings h?t auch dieses einfach Spiel hier am anderen Ende der Welt einige Komplikationen bereit.
Da ist zunaechst die Sprachbarriere. Nicht ganz zu unrecht prahle ich gelegentlich damit, dass ich ganz ordentlich Englisch spreche, fuer Restaurants der gehobenen Kategorie reicht das aber noch lange nicht. Auch in Australien neigen Koeche dazu, ihr verschuettetes literarisches Talent auf der Speisekarte auszutoben - und Menue-Empfehlungen wie "pochiertes Ottergemaecht an einer Variation aus dreierlei Saisongemuesen und zerstossenen Gartenkraeutern" sind mit dem durchschnittlichen Leistungskursenglisch nicht zu bewaeltigen. Hat man sich dann fuer etwas entschieden, das mit einiger Wahrscheinlichkeit ein Gericht ist - und nicht etwa das Gedicht des Tages oder ein Aphorismus von Oscar Wilde - ist das Leid mit der Fremdsprache immer noch nicht zuende.
Auch in Australien neigen Gastronomiefachkraefte in ihrem Bemuehen um guten Service dazu, den Gast vor dem Essen in ein kleines Quiz zu verwickeln: "Wie moechten Sie Ihr Fleisch? die Suppe vor dem Salat? das Brot zum Hauptgericht?" Vor allem in asiatischen Restaurants ist das zuweilen der lustigste Teil der ganzen Prozedur, wenn eine herzzerreissend liebenswuerdige vietnamesische Oberschulabsolventin und ein verwirrter deutscher Fahrradtourist versuchen, sich in einer beiderseits leidlich beherrschten Fremdsprache ueber die Zubereitungsart von Reis zu unterhalten...
Aber selbst die ganz einfachen, im ersten Augenblick verstaendlichen Dinge koennen ihre Tuecken haben. An "Steak" ist eigentlich nicht viel misszuverstehen. Was aber mag der Unterschied sein zwischen "Scotch" und "Porterhouse"? Da ist man doch froh, wenigstens gelegentlich auf Vertrautes zu stossen.

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Was beim Abendessen immerhin kaum schiefgehen kann, ist die Choreografie: Man geht rein, setzt sich an einen Tisch, es kommt eine Bedienung, die bringt erst das Essen, dann die Rechnung und das war's. Wichtig nur: Den Tisch nicht selber aussuchen. Auch wenn der Laden komplett leer ist, fragt man zunaechst freundlich nach einem Tisch, dann macht der Kellner eine ausholende Handbewegung und erst dann stellt man fest: "Aaaach, hier sitzt ja gar keiner, dann setz ich mich mal ans Fenster".
Morgens und beim Mittagessen ist das zuweilen diffiziler. Daheim erkennt man in einem Restaurant instinktiv - vermutlich an der Einrichtung oder am Frittierfettaroma - ob man sich in einer Pommesbude befindet und an der Theke bestellt, oder in einem Restaurant, wo das Frollein zum Tisch kommt. Hier muss man schon wie ein Luchs aufpassen, um nicht in einem Selbstbedienungsladen eine Ewigkeit hungernd am Tisch zu sitzen, bis ein mitleidiger Schlaumeier einem verraet, wie man ans Futter gelangt. Oder umgekehrt vorlaut an der Theke zu bestellen und von einem stirnrunzelnden Ober darueber belehrt zu werden, dass am Tisch bedient wird. In der Mehrzahl der Faelle folgt die Choreografie uebrigens einer Mischform: Bestellt und bezahlt wird an der Theke, serviert dann am Tisch.
Eine besonders perfide Form uebrigens: Bestellen und bezahlen an der Theke, da schreibt eine Bedienung den Namen auf und wenn das Essen fertig ist, ruft sie den Namen per Mikrofon im Restaurant aus - das heisst dann, nach der Bestellung sitzt man eine Ewigkeit verkrampft am Tisch und versucht im tosenden Laerm des - natuerlich ausnahmsweise vollbesetzten - Restaurants aus den Tonfolgen der vollkommen uebersteuerten Lautsprecheranlage zu erraten, ob man moeglicherweise dran ist. Das laeuft natuerlich darauf hinaus, dass man mindestens dreimal vergebens zur Essensausgabe laeuft und beim entscheidenden vierten mal nicht aufgepasst hat. Das ist der Moment an dem man beschliesst: Morgen geht's zu McDonalds.