Donnerstag, Januar 27, 2005

Sport im Fernsehen

Ich bin ja begeisterter Fernsehzuschauer. Nicht, dass ich mir sonderlich viel aus Krimis, Serien oder Nachrichten machen würde. Das ist alles ganz nett, aber dient letztlich nur dazu, die Sendezeit zu füllen, bis das Fernsehen wieder seiner eigentlichen Bestimmung nachkommen kann: die Übertragung von Sportereignissen. Hier erfüllt das Fernsehen seine ganze segensreiche Bestimmung. Es unterhält (zugegebenermassen eher selten) mit spannenden Übertragungen dramatischer Wettkämpfe, es erinnert mahnend daran, dass das Leben oft genug ein zähes Ringen mit einem langweiligen Schicksal ist, wenn ein ödes 0:0 in der Championsleague-Zwischenrunde kein Ende nehmen will, und es verbindet die Menschen, indem es die exotischen Wettkämpfe fremder Völker in die heimischen Wohnstuben zaubert. Da wird Skispringen plötzlich zum Volkssport der Flachländer, Pazifisten ereifern sich beim Biathlon und spätestens zu den nächsten Olympischen Winterspielen mutieren wir wieder zu Fans von Sportarten wie Curling, deren Existenz uns vier Jahre lang nicht einmal für 30 Sekunden beschäftigt hat.
Auf Reisen schließlich erschließt uns eine zufällig erhaschte Sportübertragung einen unbezahlbaren Einblick in die Seele des besuchten Volkes. Ich erinnere mich noch gut, mit welcher Begeisterung ich in den USA Football-Übertragungen gesehen und tagelang die Baseball "World Series" verfolgt habe, bis ich beinahe schon die Regeln verstehen konnte.
Dem versierten Sport-Alles-Gucker ist kein Sport zu exotisch, als dass er nicht - befördert durch ein bißchen Bier - für einen netten Abend gut ist. Was für eine Freude also, als ich gestern im Hotel den Fernseher einschalte und nach kurzem Zappen zwischen drei empfangbaren Programmen ein Cricket-Match entdecke. Die Tatsache, dass da zwei unterschiedlich gekleidete Gruppen von Männern mit einem Ball auf einer Wiese hantieren weist dieses Ereignis zweifelsfrei als Sport aus. Auch sind Zuschauer dabei, ein leidlich aufgeregter Kommentator und ausgiebig Bier-Reklame auf dem Spielfeld, am Spielfeldrand und in den Werbepausen der Übertragung. Damit allerdings endet die Verwandschaft mit allen uns bekannten Sportarten.
Dabei erinnert der Ablauf ein bißchen an das amerikanische Baseball: Ein Mann wirft einen Ball und einer aus der gegnerischen Mannschaft versucht diesen mit einem Knüppel zu treffen. Gelingt dies, versuchen die Mitspieler des Werfers, den Ball wieder zurück zu holen - meistens. Zuweilen scheint das aber aus irgendwelchen Gründen auch nicht nötig zu sein. Trifft der Mann mit dem Knüppel den Ball nicht, ist dies manchmal ein Grund zur Freude für die eine oder andere Mannschaft - auch das allerdings aus nicht nachvollziehbaren Gründen.
Alles Rätsel, die verwirren, aber auch eine Herausforderung darstellen könnten. Das schlimmste für den passionierten Sport-Allesgucker aber ist das scheinbar völlige Fehlen eines Spielstandes. Da, wo normalerweise im Fernsehbild der Spielstand eingeblendet ist, scheint beim Cricket traditionell der Platz für aktuelle Börseninformationen oder experimentelle Mathematik zu sein. "83" steht da. Oder "17.5". Oder "243", oder ähnlich brisante Informationen.
Etwas später in den Nachrichten folgt dann ein Überblick über weitere Partien - augenscheinlich handelt es sich um ein Turnier. Trotz leidlicher Sprachkenntnisse ist aber auch dabei nicht nachvollziehbar, wer nun gewonnen hat.
Beim Weiterschalten stellt man dann fest, dass auch zwei Stunden später das Spiel wohl noch in vollem Gange ist (in der Zwischenzeit hat eine Einblendung darüber informiert, dass es sich bei dem Spiel um "One Day Cricket" handelt - aha, man kann das also auch über mehrere Tage hinziehen). Die weiterhin eingeblendeten Zahlen lassen natürlich keinen Schluß zu, wer in Führung liegt, ob ein Ende absehbar ist, oder überhaupt schon irgendwer irgendeinen Punkt, Tor, Korb oder sonstwas gemacht hat.
An diesem Punkt habe ich aufgegeben und bin stattdessen auf ein Bier in die Bar gegenüber geschlendert. Und tatsächlich: da gibt's eine Leinwand, auf der genau dieses Cricketspiel übertragen wird. Kurz überlege ich, mich zu den Einheimischen zu setzen, und noch einen Anlauf als Cricketzuschauer zu starten. Ich entscheide mich dagegen. Die Vorstellung mich zu setzen und auf die Frage "Wie steht's?" ein "Achtzehnkommadrei" zu hören, läßt den Durst übermächtig erscheinen. Hoffentlich kommt morgen Tennis im Fernsehen.

1 Comments:

Anonymous Anonym said...

Sehr großes Kino, Dein Tagebuch. Wenn Du so weiter machst, hast Du schon 2500 km auf dem Tacho, bevor ich meine Reifen wieder aufpumpe. Dafür könnte ich Dir aber erklären, wer beim Cricket gewonnen hat, denn ich habe in Neuseeland damals tatsächlich einen mitfühlenden Einheimischen gefunden, der mir das erklären konnte. Und so schwer ist es gar nicht.

Viel Spaß noch weiterhin.

Sebastian

27. Januar 2005 um 16:09  

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