Sonntag, Februar 20, 2005

Der Tag der Abrechnung: 2220 Kilometer

Das Wochenende hab ich nochmal für einen kleinen Ausflug in die Rennradszene von Melbourne genutzt, bevor's morgen so langsam ans Packen geht. Letztes Wochenende war das ja schon sehr nett hier, aber ich hab mir sagen lassen, das die "Melbournians" die sehr unfreundliche Angewohnheit haben, Rad fahren als Frühsport zu betreiben. Richtig was los sei auf der Beach Road eigentlich nur zwischen sieben und neun, hat mir letzten Sonntag einer der Eingeborenen verraten. Also hab ich Freitag abend die noch andauernden Auto-Kauf-Beratungen auf der Terasse zeitig verlassen und brav geschlafen. Dann um kurz nach sieben aus dem Batt, alles bereit gemacht, Klamotten an, Flaschen gefüllt, Brille, Portemonnaie, Ersatzschlauch und Werkzeug gepackt - und als ich endlich soweit war komm ich vor die Tür und steh im Nieselregen. So ein Mist. Hab mich also wieder hingelegt und erst mittags eine kleine Runde gedreht.
Heute hat's dann deutlich besser geklappt. Um kurz vor halb neun war ich unten am Strand und hab meinen Augen nicht getraut. Da sind tatsächlich hunderte von Rennradlern unterwegs, in Gruppen von 50-60 Fahrern, immer schön auf den 25 Kilometern Straße zwischen St. Kilda und einem unscheinbaren Parkplatz, der von der überwältigenden Mehrheit als Pflichtstopp und Wendepunkt akzeptiert ist. Das Café, das den Wendepunkt in St. Kilda markiert, ist schon so weit auf das sonntägliche Volksfest vorbereitet, dass es Haken zum Aufhängen der Räder anbietet, um das Fahrrad-Parkplatz-Chaos etwas in Grenzen zu halten.

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Bis gegen halb elf ist die Straße so voll mit Radfahrern, dass die linke Spur praktisch durchgängig Radweg ist und man gar nicht umhin kann, im Windschatten irgendeiner Gruppe mitzufahren. Was allerdings auch kein Problem ist, da es augenscheinlich keinerlei "ungeschriebene Regeln" zu beachten gibt - auf akademische Spielereien wie Abwechlsung bei der Führungsarbeit, Rücksicht auf schwächere Fahrer in der Gruppe oder gleichmäßiges Tempo wird prinzipiell verzichtet. Hier regiert allein das Testosteron, das harte Rennsättel in Männerkörper pressen. Wenn einer schneller kann, als der andere, dann zeigt er das auch. Was dazu führt, dass jede grössere Gruppe unweigerlich immer schneller wird - auf meiner ersten Runde bin ich gleich mal in so ein Jagdrennen geraten, das über 15 Kilometer konstant mit um die 45 Sachen unterwegs war.
Während der zweiten Runde wurde der Temporausch von einer roten Ampel gebremst. Diese Gelegenheit hat eine der (gar nicht so wenigen) Frauen im Feld genutzt, die männlichen Kollegen zu fragen, ob man mal wieder ein etwas "normaleres Tempo" anschlagen könne. Die meisten Kameraden haben genickt, aber in den blutunterlaufenen Augen war reichlich Unverständnis zu erkennen - keine 30 Sekunden nachdem die Ampel auf Grün geschaltet hat, war die 40 km/h-Marke wieder erreicht.
Für das Päuschen zwischendurch bin ich in einen vermutlich recht einzigartigen Laden geraten. Eine Kombination aus Fahrradladen, Fahrradwerkstadt, Radsportmuseum und Café.

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Einer von gleich drei Rennrad-Shops, die ziemlich genau auf halber Strecke nebeneinander liegen.
Die 15 Kilometer von hier zurück nach St. Kilda wollte ich ganz gemütlich ausrollen - immerhin war ich schon jenseits der 100 Kilometer mit reichlich müden Beinen. Ganz entspannt bergabrollend bin ich dann an einem alleinradelnden Kollegen vorbeigezogen. Die nächste Ampelphase hat er besser getimed und hat wieder überholt. Müde Beine hin oder her, das kann man sich ja nun wirklich nicht bieten lassen. Am nächsten Anstieg hatte ich ihn wieder. Ein paar Minuten am Hinterrad, dann bin ich vorbei... auf den letzten drei Kilometern hinein in die Stadt hat uns dann doch noch die Vernunft eingeholt und wir sind gemütlich plaudernd ausgerollt.
Alles in allem nochmal richtig schöne (und schön schnelle) 116 Kilometer, was alles in allem exakt 2220 australische Kilometer macht. Wobei es auch bleiben wird. Morgen muß ich mich mal um Verpackung für's Rad kümmern und langsam ans Packen denken. Außerdem merk ich die fünf Wochen doch ganz schön in den Beinen. Beim Rad fahren geht's ja noch, aber beim Aufstehen aus dem Bett hätte ich heute morgen gut einen Zivi brauchen können...

1 Comments:

Blogger abaelard said...

Oh, das waer gefaehrlich. Der Laden, in dem ich heute war hatte nur vom allerbesten Stoff. Aus dem Karton in dem jetzt mein Rad steckt, hat der Werkstattmeister gerade so ein schnuckeliges Cannondale gezogen... wie Weihnachten ohne Kerzen am Baum...

21. Februar 2005 um 08:27  

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